Orientierung durch Echolotung bei Blinden

Zur Orientierung im Raum orten blinde Menschen Echos mit selbstgenerierten Geräuschen. Sie klopfen zum Beispiel mit einem Stock auf den Boden oder klicken mit der Zunge. Einige Blinde können sich damit, ähnlich wie Fledermäuse oder Zahnwale durch Echolotung, relativ sicher im Raum bewegen. Eine international zusammengesetzte Gruppe von Wissenschaftlern unter Leitung von Professor Lore Thaler von der Universität Durham und Professor Galen Reich von der Universität Birmingham in Großbritannien haben drei blinde Menschen studiert, die sich bereits über viele Jahre mit einer selbsterlernten Technik im Raum bewegen. Sie erzeugen mit ihrem Mund Klick-Laute und erkennen aus dem zurückkommenden Echo die Raumstruktur in einem Winkel von 60 Grad. Durch Drehung des Kopfes können sie das Raumfeld ausweiten. Zwei der drei untersuchten Erwachsenen können mit der Echolotung sogar Alltagsaktivitäten nachgehen, sich in fremden Städten bewegen, Ball spielen und Fahrradfahren.

Die Wissenschaftler haben die physikalischen Eigenschaftten der Schallwellen und die elektrophysiologischen Vorgänge im Hirn der Menschen im Detail untersucht: Die Klicks sind kurz, nur einige Millisekunden lang und haben eine Frequenz von 2-4 Kiloherz, einige ihrer Klicks haben 10 Kiloherz. Solche Klicks können von Blinden nicht nur dazu genutzt werden, um nahe gelegene Gegenstände, ihre Gestalt und ihr Material zu identifizieren sondern auch für die Einschätzung des Raumes in dem sich die Personen befinden (1).

Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten Projekts, haben Wissenschaftler der Ludwig-Maximilian Universität München um Professor Lutz Wiegrebe und Frau Dr. Virginia Flanagin die Vorgänge im Gehirn bei der Echolotung näher untersucht. Sie haben herausgefunden, dass selbst sehende Menschen bei verbundenen Augen die Orientierung im Raum mit akustischen Signalen erlernen können, indem sie mit der Zunge schnalzen. Damit gelang es den Probanden, die Größe des umgebenden Raumes sehr genau abzuschätzen. Mit der Kernspintomographie wurden die Hirnsignale der Probanden registriert. Beim Schnalzen zeigte sich eine Aktivierung der motorischen Großhirnrinde. Der zurückkommende Echolaut wird dann durch das Ohr registriert und bei der Kernspintomographie sieht man eine Aktivierng der sensorischen Großhirnrinde. Bei den gleichen Untersuchungen eines blinden Probanden zeigte sich, dass bei ihm durch das Echo der visuelle Kortex, d.h. der Bereich des Gehirns aktiviert wurde, der sonst für die Aufnahme visueller Reize zuständig ist (2).

Expertenkommentar:

Faszinierende neue Entwicklungen! Damit können Blinde sozusagen lernen, mit den Ohren zu sehen und mehr und mehr Alltagsaktivitäten nachgehen, die ihnen erlauben mehr als bisher am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Dafür wollen die Forscher nun auf dem Boden ihrer neuen Erkenntnisse ein Trainingsprogramm für Blinde entwickeln.